Lernen assoziieren wir meist mit institutionalisierter Weiterbildung, und wer hat nicht ein trainerzentriertes Schulungsszenario vor Augen, dessen „Digitalität“ mit Begriffen wie E-Learning oder mobile Learning verbunden ist. Prof. Dr. Joachim Niemeier kennt nicht nur den Blick über den Tellerrand herkömmlicher Bildung, sondern weiß aus Erfahrung, dass auch im Thema Lernen eine Digitalisierung herkömmlicher Schulungsmaterialien bei weitem nicht genügt.
Joachim Niemeier ist Executive Consultant bei der centrestage GmbH, Honorarprofessor an der Universität Stuttgart und Mitglied der Corporate Learning Alliance. Er berät Unternehmen bei der Realisierung von neuen Arbeits-, Lern- und Organisationsmodellen und begleitet sie bei der digitalen Transformation. Und er hat sich unseren Fragen gestellt:
Mit welchen drei Schlagworten können wir Deinen Vortrag auszeichnen?
#Lernlandschaften, #Transformation, #Digitalisierung
Wie definierst Du digitales Lernen?
Beim digitales Lernen bzw. der digitalen Bildung in Unternehmen geht es ja eigentlich um das Lernen bzw. die Bildungsarbeit mit digitalen Medien. Und das ist im Grunde kein neues Thema. IT-gestütztes Lernen in Form von E-Learning-Kursen („Computer Based Training“, „Web Based Training“) ist schon seit über 25 Jahren eine Option in der betrieblichen Weiterbildung. Betrachtet man aber den konkreten Einsatz von E-Learning in den Unternehmen, dann ist diese Form des Lernens in vielen Unternehmen immer noch wenig verbreitet. Es gibt häufig kaum Erfahrungen jenseits von Pilotprojekten, sowohl im Mittelstand als auch bei Großunternehmen. Zu hoch sind häufig die Barrieren aus technischer, administrativer, qualitäts- sowie akzeptanzbezoger Sicht.
Es wäre allerdings viel zu kurz gegriffen, digitales Lernen mit der Intensivierung der Bereitstellung und Teilnahme an E-Learning-Kursen gleichzusetzen. Es geht dabei vielmehr um einen tiefgehenden Transformationsprozess der betrieblichen Bildungsarbeit, der vielfältige Formen der Wissenserschließung und -kommunikation einbezieht. Klassische kursbasierte Formate aus der formalen Weiterbildung, welche von Experten entworfen und Experten durchgeführt werden, werden dadurch zwar nicht obsolet. Diese spielen immer dann eine Rolle, wenn der Fokus auf Informationsverteilung einer konsistenten, vorgefertigten Information liegt.
In zukünftiger Arbeit werden Lernen und Arbeiten immer mehr verschmelzen. Warum müssen wir dann noch über digitales Lernen sprechen?
Ich erinnere mich bei dieser Frage an einen Blogpost, den ich im Jahr 2008 geschrieben habe. Dieser hatte den Titel „E-Learning comes home“. Damals gab es erste Signale, dass sich E-Learning hinein in die Welt der Kollaboration, der Konnektivität und der “Communities of Practice” entwickeln wird. Es wurden ähnliche Themen diskutiert, die auch im Kontext von Social Intranets, der virtuellen Kollaboration und Enterprise 2.0 eine Rolle spielten. Das war ein erster Schritt zum Zusammenwachsen von Lern- und Arbeitswelten.
Aus technischer Sicht haben wir heute ganz spannende Voraussetzungen in vielen Unternehmen, neue Lernlandschaften anzugehen. Viel aufwändiger und zeitintensiver sind allerdings die organisatorischen Rahmenbedingungen. Dazu ein Beispiel: Die Verantwortung der Mitarbeiter für ihre persönliche Weiterentwicklung wird zunehmen. Dazu muss eigenverantwortliches und selbstgesteuertes Lernen im Selbstverständnis der Mitarbeiter und Führungskräfte etabliert werden.
Um eine Kultur des selbstgesteuerten oder sogar selbstorganisierten Lernens zu entwickeln, sind jedoch Schulungsstrategien notwendig, die Selbststeuerungskompetenzen, mit denen die Mitarbeiter ihre persönliche Entwicklung aktiv gestalten können, fördern.
Wie werden oder müssen sich Lehrmethoden ändern, um digitales Lernen zu ermöglichen?
Neue Lernlandschaften, bei denen die Vernetzung und der Wissensaustausch mit anderen Lernern in den Mittelpunkt rücken, sind heute möglich. Digitales Lernen jenseits von E-Learning-Kursen bietet vielfältige neue Möglichkeiten. Beispiele sind soziales und kollaboratives Lernen auf Basis von Online-Communities, die Nutzung von „Learning Nuggets“, insb. in Form von mobilen Apps, unternehmensweite Online-Kurse auf Basis des Massive-Open-Online-Course(-MOOC)-Formats, der Einsatz von nutzergenerierten Inhalten, die Nutzung von Open Educational Resources (OER) im betrieblichen Kontext oder informelles Lernen über externe Inhalte auf TED Talks, YouTube, Communities of Practice oder fachlichen Blogs.
Aber auch Ansätze wie Reverse Mentoring, Bar Camps oder Learning Journeys rücken in den Fokus. Die neuen digitalen Lernmethoden haben das Potenzial, grundlegende Veränderungen zu ermöglichen.
Kosteneffizienz und Flexibilität sind heute noch die typischen Argumente für digitales Lernen. Das wichtigste Argument für die Zukunft aber ist, die „beste Art zu Lernen“ für die Mitarbeiter anzubieten.
Wer im Unternehmen muß lernen, digital zu lernen?
Um die Vielfalt an Lernformaten aber zielgerichtet im Sinne der Unternehmens- und Lernstrategie einsetzen zu können sind neue Kompetenzen in der betrieblichen Bildung erforderlich. Neben einer verstärkten Medienkompetenz sind dies neue Formen der Bildungsvermittlung, welche interaktive Elemente methodisch und didaktisch antizipieren sowie der Umgang mit einer neuen Rollenverteilung, in welcher die Lernenden als gleichberechtigte Lernpartner verstanden werden.
Über die Zunahme der Verantwortung der Mitarbeiter für ihre persönliche Weiterentwicklung habe ich schon gesprochen. Eine spannende Herausforderung ist, dass der Weiterbildungsbereich nicht länger alleine die Aufgabe hat, ein Lernprogramm zu entwickeln und durchzuführen, sondern verstärkt Lernerfahrungen im Sinne von „Learning Experience Architects“, ein Begriff aus dem Design Thinking, kreieren sollte. Neben einer stärkeren Methodenkompetenz im Umgang mit digitalen Medien und (Lern-) Technologien sind vielfältige neue Rollen für die betriebliche Weiterbildung in der Diskussion.
Dazu gehören beispielsweise Rollen wie Lern-Begleitung, Lern-Coach, Lern-Community-Manager oder Kurator von externen und internen Inhalten. Auch die Rolle der Führungskräfte verändert sich. In einer neuen Lernkultur werden diese nicht mehr nur die Aufgabe haben, auf Anfrage ihrer Mitarbeiter eine Schulungsveranstaltung aus einem bestehenden Budget zu genehmigen. Sie müssen vielmehr die neue Lernkultur aktiv umsetzen und zu Coaches ihrer Mitarbeiter werden.
Welche Erwartungen hast Du an den IOM Summit?
Auf interessante Menschen zu treffen, neue Impulse zu bekommen und gute Gespräche zu führen.
Danke, Joachim, Deine Antworten wecken Neugier auf Deine Keynote am 28.09.2016 um 10:10 Uhr und mehr noch auf spannende Diskussionen.


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